Eine Prise Leidenschaft

 

 

Christiane Widmer

Christian Lienhard

Spalentor Verlag

David Debuyser,

Brasserie Engel, Schwyz:  

«Ich bin zielstrebig und auch ziemlich stur, ich habe  immer gesagt, viele Schwyzer sind offen für  eine moderne, leichte und trotzdem traditionelle Küche, und unser Erfolg gibt mir recht.» 

David Debuyser stammt aus einer geschichtsträchtigen Region: er wurde im französischen  Dunkerque (Dünkirchen) geboren, wenige Kilometer von der belgischen Grenze entfernt.  Die Stadt wurde während des Zweiten Weltkriegs weitgehend beschädigt und stand bis zur  endgültigen Kapitulation am 9. Mai 1945 unter der Herrschaft der ‹Deutschen Wehrmacht›.  «Ja, es gab viele Greueltaten während dieser Zeit, und meine Grossmutter war gar nicht be geistert, als ich mit siebzehn Jahren meine Kochlehre abgeschlossen hatte und erklärte, ich  würde eine Stelle in Deutschland annehmen. Ursprünglich wollte ich Tierarzt werden, doch  ich war von der Schule nicht so begeistert. Ich habe jedoch immer am Sonntag mit der Mama  und bei der Oma gekocht und gebacken. Das Essen war bei uns immer sehr wichtig.»  

David Debuysers Vater hingegen unterstützte seinen Sohn; er war mit dem französischen  Militär in Karlsruhe stationiert, kannte Deutschland und die deutsche Mentalität und fand  die dortige Disziplin sehr beeindruckend. «In der Schule war deutsch meine erste Fremdsprache, und so konnte ich während der Lehre ein Praktikum von zwei Monaten in Deutschland absolvieren, in Nordrhein-Westfalen. Dort lernte ich einen Küchenchef kennen, der einen Michelin-Stern hatte, und der mir eine Stelle anbot. Nach meiner Rückkehr entschloss  ich mich, die Schule nicht mehr weiter zu besuchen und anstatt das Fachabitur abzuschliessen, direkt arbeiten zu gehen. Das war komplett richtig. Ich arbeitete während sieben Jahren  in Deutschland, ich ging sozusagen vom Norden in den Süden; am Schluss war ich im Schwarzwald.»  

Doch dann kam der Einberufungsbefehl der französischen Armee, und David Debuyser ab solvierte zwei Jahre Militärzeit in Afrika, freiwillig. Nach seiner Rückkehr fand er Arbeit in Engelberg, wo er seine bayerische Frau Bettina kennenlernte, eine Konditorin. Die beiden gingen nach Rom, wo sie als Pâtissière und er als Sous-Chef arbeiteten. «Es waren zwei wunderschöne Jahre, doch dann zog es uns zurück in die Schweiz. Ich fand in Luzern eine Stelle als Küchenchef im ‹Restaurant am Quai›, dem Yachtrestaurant des ‹Carlton Hotel Tivoli›, leider existiert es nicht  mehr. Nach zwei Jahren wollten wir noch etwas anderes sehen als Luzern. Wir besuchten Bekannte in Schwyz und plötzlich wurde uns klar: da möchten wir leben. Dieser wunderschöne  Talkessel, der Mythen, die Natur! So sind wir hierher gekommen, haben Kinder bekommen und sind jetzt seit 20 Jahren in Schwyz.» 

 

 

Auf der Speisekarte der ‹Brasserie Engel› gibt es typische Brasseriegerichte wie Schweinskopfbäggli, ‹Moules-Frites› und Pâté, aber auch Spezielles wie den ‹Pulled Turkey› oder mit dem nordafrikanischen Gewürz ‹Ras el-Hanout› versehene Speisen.  «Ich war mit einigen Migrantenkindern in der Schule, und mein Vater hat mit deren Vätern am Hafen gearbeitet. Wir waren oft bei ihnen eingeladen, haben Couscous und andere Spezialitäten aus dem Maghreb gegessen; diese Mischungen, diese Gerüche kenne ich seit meiner  Kindheit. Und auch die zwei Jahre, die ich in Afrika verbracht habe, haben mich geprägt. Früher musste ich immer kochen, was meine Vorgesetzten wollten, heute als Selbständiger habe ich die Freiheit, selbst Gerichte zu entwickeln. Die Brasserieküche eignet sich perfekt dazu.  Die Geschichte mit dem ‹Pulled Turkey› ist eigentlich aus einer Art Panne entstanden. Ich  beziehe sehr viele Produkte aus der Region, unter anderem von einem Bauern aus Rickenbach, der vor einiger Zeit mit einer Truthahnzucht begonnen hatte. Ich bat meinen Metzger, mir von diesem Bauern einen Truthahn mitzubringen. Beim ersten Mal brachte er mir ein  Tier von rund 20 Kilogramm mit, ich hatte noch nie einen solchen Riesenvogel gesehen, was  sollte ich mit dem vielen Fleisch anstellen? Da kam die Idee, ich könnte es im Smoker behandeln, dann zupfen und als ‹gezupften Truthahn› anbieten.»  

In Schwyz gibt es offenbar ein Potential für innovative Gastronomiebetriebe, auch wenn es  am Anfang für David Debuyser nicht einfach war. «Es gab sicher einige Leute, die einmal  hierher gekommen sind und dann nicht mehr, weil es für sie nicht passte. Aber so etwas  muss man verkraften. Ich bin zielstrebig und auch ziemlich stur, ich habe immer gesagt, viele  Schwyzer sind offen für eine moderne, leichte und trotzdem traditionelle Küche, und unser  Erfolg gibt mir recht.»  

David Debuysers Beharrlichkeit und Kreativität wurden mit 13 Gault-Millau-Punkten belohnt,  hat das seinen Kochstil verändert? «Nein, es motiviert natürlich, aber wir jagen diesen Punkten nicht nach. Ich möchte, dass unsere Gäste gepflegt essen können, ohne Schnickschnack,  und die Atmosphäre geniessen.»  

 

Seine (karge) Freizeit verbringt er im Sommer gerne mit seiner Familie beim Wandern oder  Baden. «Im Winter kann man sich in Schwyz gut einkuscheln. Und naschen; schliesslich müssen wir die neuen Kreationen meiner Frau probieren.»